Viele Menschen streben nach finanzieller Freiheit. Die Definitionen sind unterschiedlich und entsprechend unklar ist oft die Diskussion. In unserer Runde bedeutet finanzielle Freiheit beispielsweise für Sabine (wir haben sie bisher Disco genannt) und ein bisschen auch für Miriam (Menno) dass sie ihre Kosten gut bezahlen können, dauerhaft nicht im Dispo sind und eventuell eine kleine Rücklage haben. Freiheit wird also in die Richtung definiert, dass man sich beim aktuellen Lebensstil keine Sorgen machen muss. Monika geht da ein großes Stück weiter und es war mir eine große Freude, mit ihr im Gespräch die Hintergründe zu erforschen:
Gisela: Monika, Du bezeichnest Dich als finanziell frei. Was genau bedeutet das für Dich?
Monika: Ich definiere finanzielle Freiheit dahingehend, dass ich von meinen Kapitaleinkünften leben kann. Also nicht arbeiten muss.
Nun bist Du 47 und sozusagen noch mitten in Deiner Kraft. Wie kommst Du zu dem Gedanken, dass Du nicht mehr arbeiten musst, um Deinen Lebensunterhalt zu bestreiten? Das macht doch eigentlich gar keinen Sinn.
Monika: An der Frage ist was dran. Als ich mit 18 auf den Gedanken gekommen bin, dass ich es mit Sparen schaffen könnte, mit 40 von meinen Zinsen leben zu können, da war der Hintergrund, dass ich mich leidenschaftlich in ehrenamtlichen Vereinen engagiert habe und mir die Rettung der Welt mein wichtigstes Anliegen war. Und damals, Mitte der 80er Jahre, gab es in dem Bereich kaum Stellen. Also habe ich mir ausgerechnet, wie lange es dauert, bis ich meine Einkünfte sichern kann ohne dafür einer Arbeit nachzugehen, die mir möglicherweise keinen Spaß macht. Ich habe damals die Suche nach Ausbildungsplätzen und die Sorge um den Arbeitsplatz als ziemlich irritierend empfunden. Der empfohlene Ausweg meiner Eltern war eine langweilige Beamtenlaufbahn. Zumindest kamen mir die anvisierten Stellen alle langweilig vor.
Gisela: Das heißt, die damalige Motivation war einmal, selbstbestimmt das machen zu wollen, was Du willst. Den selbst, wenn es ehrenamtliche Arbeit ist, so ist es ja immer noch Arbeit.
Monika: Genau. Von meinen Eltern habe ich darüberhinaus sicherlich ein großes Sicherheitsbedürfnis übernommen. Um sich von drohender Arbeitslosigkeit frei zu machen, ist die finanzielle Freiheit ja durchaus auch eine Strategie. Ich glaube im übrigen, dass sich im weiteren Lebenslauf dieses Sicherheitsbedürfnis als viel motivierender erwiesen hat, als mein Bedürfnis ehrenamtlich zu arbeiten. Ein bisschen frustrierend, aber mit zunehmenden Alter ist bei mir das Sicherheitsbedürfnis massiv angewachsen, während das Bedürfnis die Welt zu retten ein bisschen dem Gleichmut gewichen ist. Schon schwer, das hier so zuzugeben.
Gisela: Aber wie schön, dass Du zu uns und zu Dir so ehrlich sein kannst. Wenn Du von Sicherheit redest, was genau sicherst Du mit Geld ab?
Monika: So lange ich noch angestellt war, fand ich Rahmenbedingungen, die mich in meiner Kreativität und in meiner Experimentierfreude eingeschränkt haben, furchtbar. In der Regel kamen diese Grenzen in Form von Vorgesetzen oder Regeln, die im Unternehmen einzuhalten waren. Nun habe ich mich bereits vor dem Erreichen der finanziellen Freiheit selbständig gemacht. Da hatte ich dann keine Vorgesetzen mehr, durfte aber viele neue Regeln entdecken.
Was für Regeln waren das?
Monika: Na, so ganz banale Regeln, wie ohne Akquise, keine Kunden. Wenn Du leidenschaftlich gerne mit Menschen arbeitest, musst Du vorher was dafür tun, dass diese auch kommen.
Gisela: Oh, solche Regeln. Ja davon gibt es auch in der Selbständigkeit viele. Es läuft einfach nicht alles von alleine.
Monika: Genau. Und es klappt eben auch nicht alles, so wie man sich das denkt. Da haben mir meine Rücklagen schon immer sehr geholfen, gelassen zu bleiben, wenn ein Projekt oder Kurs nicht zustande kam. Im Augenblick bekomme ich mich gerade kaum motiviert, irgendwas zu machen, weil ich die Selbständigkeit auch über Strecken als anstrengend wahrgenommen habe und gerade das Gefühl habe, ich muss ein bisschen Luft holen. Zwischendurch dachte ich auch, dass ich ganz aufhöre zu arbeiten. Das habe ich viele Male gedanklich bis ins Detail durchgespielt und ich weiß heute, das mich das nicht glücklich machen würde. Ich bin sogar überzeugt, dass auch Rentner eine Aufgabe brauchen, um glücklich zu sein. Das Gefühl, etwas beizutragen, zu leben, gebraucht zu werden und auch irgendwas zu erreichen, trägt zur eigenen Zufriedenheit und zum Glück bei. Von daher brauche ich gerade das passende Konzept, was dann hoffentlich weit über das gesetzliche Rentenalter hinaus trägt.
Gisela: Wie könnte so ein Konzept aussehen?
Monika: Bei mir ist das Wichtigste die Balance. Ich führe gerne Projekte durch, ich gebe gerne Kurse und ich arbeite gerne mit Menschen. Dabei gebe ich viel. In meinem engagierten Berufsleben habe ich da oft erlebt, dass die Grenzen überschritten wurden. Das ich zu viel gegeben habe. Für eine begrenzte Zeit ist das okay. Nein, es ist sogar toll. Adrenalin schiesst ein und ich arbeite unter einer wunderbaren Power. Ein paar Tage, ein paar Wochen ist das ein toller Zustand. Aber länger? Dann wirkt es schnell wie ein Rennen im Hamsterrad. Das will ich nicht mehr. Das Gegenteil ist auch nicht toll. Wenn ich zu lange nur gute Bücher lese, ausgiebig im Internet surfe, aber nicht mit Menschen in Kontakt komme und wenn, nichts zu geben habe, dann ist das auch blöd. Dann wird das Leben fad und es baut sich kaum Energie auf. Zwischendurch ist Innehalten und Ausruhen okay, aber eben nicht ausschließlich.
Gisela: Viele Menschen träumen bei der finanzielle Freiheit von der Weltreise oder dem Leben in fernen Ländern. Wie ist das bei Dir?
Monika: Als ich den Traum der Reisenden geträumt habe, war ich 20 und 30 Jahre alt, da wollte ich raus in die Welt. Familiäre Bindungen waren da, aber alle haben ihr eigenes Leben gelebt. Nun kurz vor der 50 habe ich es mit Eltern zu tun, die Ende 70 bis Ende 80 Jahre alt sind. Mein Schwiegervater ist in diesem Jahr verstorben und es ist für meinen Mann und mich klar, dass wir uns nicht für eine längere Zeit ins Ausland verabschieden werden. Einfach weil wir hier gebraucht werden. Nicht um zu pflegen, aber um da zu sein. Uns trennen immer noch zahlreiche Kilometer, aber in einigen Stunden können wir ohne Probleme unsere Eltern besuchen. Was wir auch regelmässig tun. Wir können mal drei oder vier Wochen verreisen, aber das ist dann auch schon der längste Zeitraum. Und für uns passt es gut, nicht mehr als eine größere Reise im Jahr zu machen oder zwei oder drei kleinere. Das reicht dann. Nicht weil wir nicht häufiger könnten, sondern weil wir uns sonst nicht mehr geerdet zu Hause fühlen.
Das hört sich jetzt so an, als ob das Ziel finanzielle Freiheit gar nicht so erstrebenswert ist.
Monika: Stimmt und stimmt wieder nicht. Ich glaube, dass jeder Mensch, der von finanzieller Freiheit träumt, noch nicht im Berufsleben da angekommen ist, wo sein oder ihr Wirken sich optimal entfaltet. Also eine Stelle, die Sinn macht und in der man aufgehen kann. Leider sind sehr viele Menschen mit ihrem Job unzufrieden und der Traum, das alles hinter sich zu lassen, ist nur allzu gut nachzuvollziehen. Aber ich würde den Blick dann nicht auf das Anhäufen von möglichst viel Geld heften, sondern auf gute Ideen, was man eigentlich gerne mit seinem Leben machen will. Klar können das erstmal Gedanken sein, mit denen man auf den ersten Blick kein Geld verdienen kann. Wie bei mir die Arbeit, um die Welt besser zu machen. Ich mache das jetzt auch, aber ich werde dafür bezahlt. Und das passt dann auch besser, weil Geld hier ein guter Anerkennungsausgleich ist. Ich bin mir sehr sicher, dass sich mit jeder Leidenschaft irgendwie auch Geld verdienen lässt. Vielleicht nicht so viel, wie mit einem Gehalt für eine ungeliebte Tätigkeit. Für die Differenz ist ein gewisses finanzielles Polster gut. Um beispielsweise eine selbständige Tätigkeit zu starten oder eben so Phasen, wie ich sie gerade habe, zu überbrücken. Aber ganz aufzuhören, zu arbeiten, ich glaube, das macht für einen längeren Urlaub oder eine gewisse Pause glücklich, aber nicht für das ganze restliche Leben.
Gisela: Ich erlebe das in meinen Coachings mit Gründern oft, das beispielsweise die Kaltakquise oft viel Überwindung und Energie braucht. Wie bringst Du die auf, wenn Du das doch gar nicht machen musst?
Monika: Du hast ein Kernproblem erkannt! Das ist mit ein Grund, warum ich gerade auch wenig zu tun habe. Ich habe das in den letzten Monaten schleifen lassen. Und dann kommen einfach weniger Anfragen. Ich habe da noch nicht den perfekten Weg gefunden, aber ich hoffe, dass sich für mich neue Strategien auftun. Aber ich dachte da auch schon manchmal, dass diese finanzielle Freiheit, für die ich viel beneidet werde, auch ein kleiner Fluch sein kann. Eben weil mein Schweinehund viel bessere Argumente bekommen hat, den Telefonhörer heute nicht in die Hand zu nehmen. Wahrscheinlich wäre es besser, sich den ganzen Reichtum gar nicht so viel vor Augen zu führen und einfach weiter im geliebten Berufsleben unterwegs zu sein. Auch mit den Schattenseiten, die eben jede Tätigkeit dann doch immer mal mit sich bringt.
Gisela: Was würdest Du also anderen Menschen raten, die sich auf den Weg machen, die finanzielle Freiheit zu erreichen?
Da fallen mir mehrere Dinge ein. Erstmal zu schauen, was im aktuellen Leben und besonders im Beruf verändert werden kann, so dass die Sehnsucht nach dem Arbeitsende nicht so groß ist. Das würde ich auch allen Menschen raten, die sich einfach nur auf die Rente freuen.
Dann finde ich, spricht nichts dagegen, Geld zu sparen und gut zu investieren, um so einen guten finanziellen Puffer zu haben. Der muss aber nicht so groß sein, dass man seinen ganzen Lebensunterhalt damit decken kann. Sondern vielleicht die Hälfte oder Zwei Drittel oder was auch immer. Das hängt von den Leidenschaften ab, die es zu entdecken gilt. Und den Wahrscheinlichkeiten, mit diesen Geld dazu zu verdienen.
Und immer im Blick zu haben, das Geld alleine nicht glücklich macht. Ich finde, es trägt zu einem maßgeblichen Sicherheitsgefühl bei und verschafft damit auch eine gewisse Freiheit. Aber ich weiß, dass viele andere Dinge im Leben viel wichtiger sind.
Gisela: Es interessiert mich brennend, mit Dir auch noch über genau diese Dinge zu sprechen. Aber das Interview ist hier schon recht lang geworden. Deshalb würde ich sagen, wir lassen das mal so stehen und reden ein weiteres mal über die Dinge, die jenseits von Geld glücklich machen. Danke Dir Monika für Deine Offenheit. Wir freuen uns beide sehr über Kommentare. Das kann ich für uns beide sagen, oder?
Monika: Aber sehr. Mich interessiert es brennend, aus welchen Motivationen Menschen sich das Ziel setzen, finanziell frei zu sein.
Monika Reich hat in dem Buch “Finanziell frei” genauer beschrieben, wie sie es geschafft hat, mit 47 finanziell frei zu sein.
Bin durch das Buch Finanzielle Freiheit auf diesen Blog gekommen. Bin sehr beeindruckt. wirklich inspirierend!